fruehstart_KW15
Krieg ist kacki, kumbaya!
Es ist paradox.
Seit dem Überfall auf die Ukraine, diskutiert Deutschland über Krieg. Auf Twitter hat das Thema inzwischen sogar die ansonsten alles überstrahlende “Geschlechter-Debatte” (Dürfen "gefühlte" Frauen aufs Damenklo? etc.) überholt.
Genau hier …
… sieht man aber eine ziemliche Unwucht: die Königsdebatte rund um WC &Co. hat inzwischen ein Niveau erreicht, dass ihr den Status einer eigenständigen Wissenschaft einbringen könnte.
Genau andersrum ...
... läuft es beim Thema #Ukraine: Hier bewegt sich ein Großteil der Beiträge auf dem Niveau von "Krieg ist kacki, kumbaya!".
Woran liegts?
Gute Frage. Meine Meinung: Für "Schland" war es nach WK II schlicht bequemer, einfach alles auf den bösen bösen bösen "Krieg an sich" zu schieben.
Aber wie dem auch sei.
Ganz so hochtrabend wie die Männlein, Weiblein etc. - Diskussion muss die #Ukraine-Debatte ja auch nicht gleich werden. Aber zumindest die die 5 Top-Platitüden, sollten mal abgeräumt werden.
Machen wir gleich.
Vorher nur noch der übliche Reminder: Wenn Ihr jemanden kennt, der am fruehstart-Newsletter Gefallen finden könnte, dann schicket ihr oder ihm einfach den folgenden Link: https://dvestor.com/#/portal/signup
Die Top5 Platitüten zum Ukraine-Krieg
Wenn es militärisch wird ...
... flüchtet man sich hierzulande schnell in grenzdebiles Gesabbel.
O-Ton Heribert Prantl, ...
... langjähriger Hauskolummnist der Sueddeutschen Zeitung:
"Der Frieden in der Ukraine ist ein noch ungelegtes Ei. Solange das so ist, kann man aber schon mal das Nest dafür bauen, man kann die Materialien dafür sammeln und darüber verhandeln, wie man verhandeln könnte, man kann darüber reden, wie man miteinander reden könnte. Das wünsche ich mir."
Eijeijei.
Man stelle sich nur mal vor, der Gute hätte Selbiges zur Lösung des Tarifstreits im öffentlichen Dienst vorgeschlagen. Die Beteiligten hätten ihn - zu Recht - gefragt, ob er sie damit verkackeiern will.
Diskussionen über militärische Fragen, ...
... prallen hierzulande nämlich gerne an einer Reihe von - scheinbar unüberwindlichen - Plattitüden ab. Eventuell können wir aber doch noch einmal über frommen Kinderreime hinauskommen. Dafür versuchen wir hier, zumindest die Top5-Platitüden aus dem Weg zu räumen.
Anderer Meinung?
Schreib Sie uns gerne. An: [email protected] - oder an @CMEichholz auf Twitter.
1. "Alles ist besser als Schießen"
Vertreter:
Heribert Prandl, Margot Käßmann, Brandt Jr. etc..
Problem:
"Schießen" pauschal auszuschließen, führt - logischerweise - zu Unterwerfungspazifismus. Und damit zu einem Frieden, der oft schlimmer ist, als ein Krieg.
Nehmen wir den zweiten Weltkrieg.
Gefördert durch Pazifismus in Form von Appeasement. Und überall dort, wo schneller Unterwerfungsfrieden herrschte (z.B. in Frankreich), lieferte man unzählige Mitbürger*innen der Willkür aus.
Der Ukraine ...
... hat der Kreml bereits eine "Denazifizierungen" verschrieben. Und inzwischen ist auch klar, was Putin unter "Nazis" versteht: Alle, die ihm gerade nicht in den Kram passen.
Außerdem ...
... mehren sich die Anzeichen, dass Putin & Co. sich erst wieder beruhigen, wenn die Sowjetunion größtenteils wiederhergestellt ist.
Insofern ...
... ist fraglich, ob man einen Unterwerfungsfrieden für die Ukraine wirklich will. Und selbst wenn ja, ob dieser "Friede um des lieben Friedens willen" dann nicht einfach woanders zu Krieg führt.
2. "Die USA sind doch der größte Kriegstreiber überhaupt."
Vertreter:
Diese Position wird z.T. auch von zurechnungsfähigen - und mitunter sogar wohlwollenden - Zeitgenossen vertreten.
Und zugegeben:
Sie treffen einen ziemlich wunden Punkt. Man denke nur W.s sinnbefreiten Irakfeldzug - inklusive Söldnertruppen und Kriegsverbrechen (Clusterbomben, Folterkeller ...)
Aber:
Was wäre die Konsequenz daraus? Dass sich die USA - ausschließlich - um ihren eigenen Sch**ß kümmern? Dann wird alles gut?
Jenseits von Gut & Böse ...
... beschäftigt sich die Politikwissenschaft schon lange mit der Frage, welche Weltordnung zu welchem Kriegsrisiko führt.
Ergebnis:
Am friedlichsten waren bislang immer uni- und bipolare Weltordnungen, bei denen sich maximal zwei (ungefähr) gleichstarke Machtblöcke gegenüberstehen. Beispiel: die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. (Der kalte Krieg blieb - größtenteils - kalt). Und ganz eindeutig am meisten Krieg hatte man in multipolaren Zeiten, in denen es mehr als zwei dominante Machtblöcke gab. Beispiel: Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts - da gab es, unter vielen anderen, auch zwei (!) Weltkriege.
Man beachte:
All das gilt unabhängig davon, ob Despoten oder Gutmenschen regieren: Stalin hat es im multipolaren Zeitalter z.B. ordentlich krachen lassen (China, Polen, Finnland, Baltikum, Rumänien, nochmal Finnland ...). Nach dem Beginn der uni/bipolaren Periode ab 1945 war dann aber augenblicklich Schluss mit den Invasionen (dabei war er noch bis 1953 am Ruder).
Und:
Schon nach dem ersten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten durchaus in der Lage - und in Ansätzen auch schon dabei - eine unipolare Weltordnung durchzusetzen. Dann haben sie sich allerdings dezidiert dagegen entschieden.
Kurzum:
Geht der Ami wieder heim, wird es zwischen China, Indien, Russland & Europa reichlich multipolar - und das Kriegsrisiko steigt.
Auf Einspruch ...
... muss man an dieser Stelle sicher nicht lange warten: Man kann sich doch nicht um des Friedens willen zu Vasallen der Yankees werden!
Aber damit schnappt die Falle zu.
Denn hier muss sich unser Gegenüber entscheiden: Lieber Krieg als Knechtschaft? Dann lässt sich gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine aber nicht mehr viel sagen. Oder lieber Frieden um des lieben Friedens willen? Dann sollte man die Vormachtstellung der USA tunlichst nicht hinterfragen - und sich ihren Waffenlieferungen konsequent anschließen.
3. "Gegen eine Atommacht kann man nicht gewinnen!"
Vertreter:
Viele - neulich erst wieder: Alice Schwarzer.
Gegenargument: Und wie man das kann!
Das haben u.a. die Nordkoreaner und Vietnamesen bewiesen. Und die Afghanen haben sogar schon zwei Atommächte besiegt. Insofern ist das mit Abstand die putzigste These von allen.
4. "Waffenlieferungen verlängern den Krieg."
Vertreter:
U.a. Ex-Gerneral Harald Kujat.
Eventuell ...
... wurde der Gute da Opfer seines eigenen Etikettenschwindels.
Wir erinnern uns:
Den Taliban lieferte niemand Waffen - zumindest nicht auf dem Niveau der Ukraine-Lieferungen.
Et voilà:
Nach ein paar Wochen war der Afghanistan-Krieg (2001-2001) schon wieder vorbei.
Was ist mit den 21 Jahren danach?
Zählen nicht. Denn die benannte man kurzerhand um: Ab 2002 herrschte in Afghanistan kein Krieg mehr, sondern ein "bewaffneter Konflikt".
Einziger Haken:
Ohne Frontlinie, Unterscheidung zwischen Kombattanten & Zivilisten, Kriegsgefangenenaustausch etc. wird so ein Krieg sicher nicht schöner - auch wenn er dann nicht mehr so heißt.
Die Ukrainer ...
... vermitteln nun nicht gerade den Eindruck, als ob sie sich ohne westliche Waffen in ihr Schicksal ergeben. Und in den besetzen Gebieten sind sie bereits dabei, ihre Besatzer zu zermürben.
5. "Die NATO führt diesen Krieg, um Russland zu zerstören."
Vertreter:
Hier stoßen wir so langsam ins Weltverschwörungs-Lager vor. Aber zumindest für gemäßigtere Varianten davon ("Russland wurde eingekreist ...") findet man noch halbwegs schwurbelfreie Fürsprecher.
Z.B. Peter Scholl-Latour.
Und der hatte seine Momente - vor allem bei seinen scharfsinnigen Vorhersagen zum Afghanistan- & Irakkrieg.
Was Russland betrifft ...
... verstehe ich aber kein einziges seiner Argumente.
Ausdehnung von NATO & EU?
Entgegen unserer heiligen Versprechen an Gorbi & Co.?
Mal ganz ehrlich, liebe Putinisten:
Wieso wollen Eure sämtlichen Nachbarn denn unbedingt in die NATO? Hat man sie gezwungen? Während sie viel lieber ihre innigen Verbindungen zu Russland vertieft hätten?
Vielleicht eher nicht?
Die Softpower der russischen Staatsmcht bestand - sehr zugespitzt ausgedrückt - seit 1991 vor allem aus Novitschok, Oligarchentum, Gulags, Korruption, Mafia, FSB, GRU - und den ca. zwei Dutzend anderen KGB-Nachfolgeorganisationen. Die blutigen Tschetschenien-Kriege und die Aktionen in Georgien, Syrien etc. haben sie eventuell auch nicht attraktiver gemacht.
Und all das, ...
... obwohl die Russische Föderation dank riesiger Rohstoffvorkommen (Öl, Gas, Holz - you name it) eigentlich über eine Reihe von guten Partnerschafts-Argumenten verfügt.
Kurzum: Ihr habt es schlichtweg selber vergeigt.
Genau wie Eure "Spezialoperation": Die NATO hat früh klar gemacht, dass sie sich nicht aktiv einmischen wird. Und außer ein paar Manpads gabs auch lange keine Waffenlieferungen gen Kiev. Ihr hattet also mindestens drei Monate, um den Sack zuzumachen - die CIA hatte Selenskyj sogar schon ein Taxi bestellt. Das ihr Euch dabei unfassbar dämlich angestellt habt, liegt wohl eher an Eurem Hang zur epidemischen Korruption, als an der NATO.
Und überhaupt:
Wie stellt Ihr Euch das eigentlich vor? Dass "der Westen" aktiv dafür sorgt, dass der gesamte Postsowjetraum unter Eurer Fuchtel bleibt? Egal, wie unattraktiv die ist? Und EU & NATO alle Aufnahmeanträge einfach ablehnen - wie man es im Fall der Ukraine aus Rücksicht ja getan hat?
Das "Mimimi" ...
... über die böse CIA und ihre Präsenz auf dem Maidan ist übrigens auch ziemlich erbärmlich: Dem Nachfolgestaat der Sowjetunion muss man doch bitte nicht erklären, wie diese Spielchen nun einmal laufen. Zumal Ihr da sehr aktiv mitspielt - und über die "vereinigten Querschwurbel-Spinner" auch nach Kräften Sand in westliche Getriebe einstreut. Im Falle von Brexit & Trumpwahl sogar mit Erfolg.
All das ...
... kann man sicher auch anders sehen. Aber zumindest sind es ein paar Beispiele, die zeigen, dass man nicht vor dem nächstbesten Totschlagargument einknicken muss.
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